Fachartikel – Schweißnähte konzeptkonform modellieren

Den gesamten Schweißprozess mit Software optimieren

Energieeffizient mit modernen Techniken schweißen ist das eine. Seine Prozesse für das beste Ergebnis optimieren das andere. Doch in der Konstruktion nimmt das Schweißen oft eine Nebenrolle ein – die Anforderungen werden mündlich oder als Zeichnungen an die Ausführenden weitergegeben oder ganz deren Knowhow überlassen. Dabei bieten CAD-Programme diverse Funktionalitäten, um Schweißnähte zu modellieren und zu dokumentieren. So können eine optimale Ausführung vorbereitet und das Qualitätsmanagement vereinfacht werden. Und es geht noch weiter: Ein CAD-Systemhaus baut zurzeit in Zusammenarbeit mit einem Schweißfachingenieur an der Funktion eines digitalen Schweißfolgeplans, der eine große Prozesslücke schließen kann.


Unternehmen, die Schweißbaugruppen fertigen, müssen sich dem Wandel am Markt stellen: Nur wer auf die zentralen Fragen wie Fachkräftemangel und energieeffiziente Produktion die passenden Antworten findet, wird eine Zukunft haben. Der erste Schritt besteht hier in einer Ressourcen schonenden Konstruktion unter Berücksichtigung des Einsatzes effizienter Schweißverfahren. Das Ziel lautet dann bei so wenig Wärmeeinbringung wie möglich einen ausreichenden Einbrand, das heißt eine gewisse Aufschmelztiefe im Grundwerkstoff zu erreichen. Viele Schweißverfahren und alte Maschinen brennen allerdings deutlich mehr ein als notwendig ist. Das bedeutet nicht nur die Verschwendung von Energie, eine zu hohe Wärme wirkt sich auch auf die Qualität der Schweißnaht aus und kann eine größere Verformung und Spannungen im Bauteil bedeuten.


Nun erfordern moderne Werkstoffe eine gezielte Wärmeeinbringung; Vorwärm- und Zwischenlagentemperaturen sowie Abkühlgeschwindigkeiten müssen eingehalten werden. Um eine bessere Wärmeverteilung und ein gleichmäßiges thermisches Feld zu erzielen, muss die Schweißfolge festgelegt werden, auch die Schweißrichtung spielt eine entscheidende Rolle. Lange Schweißnähte werden in Teilstücke aufgeteilt und in einer bestimmten Reihenfolge abgeschweißt, zum Beispiel im sogenannten Pilgerschritt, um die Wärme bestmöglich im Bauteil zu verteilen. So lassen sich von Temperaturdifferenzen verursachte Schrumpfungen minimieren. Diese Schrumpfungen treten beim Erstarren und Abkühlen des Schweißgutes auf; sie können zu unerwünschten Verformungen führen. Manche Unternehmen unterhalten eine eigene Abteilung, um die Verformungen wieder zu richten – die Teile werden mit hydraulischen Pressen bearbeitet oder spannungsarm geglüht, um die Spannung über Wärme abzuführen und die Naht zu entlasten. Andere versuchen die Schrumpfung zu verhindern und die Verformung zu vermeiden, was aber zur Folge hat, dass Eigenspannungen in den Bauteilen entstehen. Diese können so hoch sein, dass es ohne weitere Belastung zur Rissbildung in Form von Sprödbruch, Ermüdungsbruch und Spannungsrisskorrosion kommt.


Eine intelligente Lösung erlaubt es hier, die Schrumpfkräfte und den erwarteten Verzug zum Vorteil zu nutzen. Sie wirken als Längs-, Quer- und Winkelschrumpfung in drei Richtungen und es entsteht ein 3D-Eigenspannungsbild. Liegt Verständnis dafür vor, können vor dem Schweißen passende, das heißt entgegengesetzte Eigenspannungen in das Bauteil eingebracht werden – die Schrumpfung baut diese dann ab. Durch diese Aufhebung der eingebrachten Spannung entspannt sich das Bauteil.

Analoger Schweißfolgeplan mit den relevanten Informationen

Um all diese erforderlichen Informationen für die schweißtechnische Fertigung zu liefern, wird in
Unternehmen ein Schweißfolgeplan erstellt. Er beinhaltet also welche Nähte wann, wie und in welche Richtung geschweißt werden, wie die einzelne Schweißnaht unter- und am Bauteil verteilt wird. Dieser Schweißfolgeplan erfolgt als Fließtext oder durch Zeichnungen mit Nummerierung der Schweißnähte. Das Problem: Was für den Ersteller verständlich ist, ist es nicht unbedingt für den Schweißer. Oft fehlen wichtige Angaben, um das gewünschte Ergebnis ohne weitere Nacharbeit erzielen zu können. Nicht selten werden diese Angaben mündlich zwischen Schweißaufsicht und Schweißer kommuniziert. Dieser Prozess ist alles andere als effizient, denn in der Regel machen Urlaub, krankheitsbedingte Ausfälle und Mitarbeiterwechsel den Workflow unübersichtlich und damit auch schnell fehlerhaft. Oder die Beschreibung fällt noch rudimentärer aus und man geht davon aus, dass die Werkstatt schon weiß, was sie tut. Unterm Strich ergeben sich auch Probleme bei der Dokumentation: Die erzeugte Naht „as built“ wird nicht digital dokumentiert; die Auswirkungen auf Folgeprozesse sind nicht absehbar. Eine fundierte Ausführung der Schweißnähte ist somit nicht gegeben, sie wird viel mehr der Erfahrung oder dem Zufall überlassen.

Schweißnähte mit CAD-Software modellieren

Die Lösung liegt hier in einer Software. Unternehmen sind sich oft nicht darüber im Klaren, wie viele Möglichkeiten CAD-Systeme zum Thema Schweißen bereits vorhalten. So können sämtliche Informationen über die Schweißnähte digital erfasst werden. Das Autodesk Tool Inventor verfügt zum Beispiel über ein Schweißmodul mit Baugruppenvorlagen, das es erlaubt eine Schweißnaht in 3D zu modellieren. Auf 2D Zeichnungen können die Nähte als Symbole dokumentiert werden. Mit dem Schweißnahtgenerator können Nähte schnell und übersichtlich vorbereitet werden; auch Vorbereitungen wie eine Bearbeitung von Bauteilen mit Phasen können abgebildet werden – nur in der Schweißbaugruppe und nicht in den Einzelteilen.


Es ist wichtig, Schweißnähte in der 3D-Konstruktion zu berücksichtigen und nicht nur auf der 2DZeichnungsableitung darzustellen. Manche Unternehmen erstellen eine virtuelle Komponente mit dem geschätzten Gewicht der Schweißnähte im 3D-Modell. Dadurch passt die Masse der
Hauptbaugruppe. Noch besser ist es, die Schweißnähte im 3D-Modell in einer Schweißbaugruppe zu erzeugen. Erst dann kann der gesamte Workflow von der Vorbereitung über das Schweißen bis zur Nachbearbeitung abgebildet werden. Auch die Dokumentation der Naht kann mit einer Messung über einen 3D-Scan digitalisiert werden: Dabei wird die Punktewolke des Scans mit der Soll-Vorlage des CAD-Programms abgeglichen. Das System ist viel genauer als eine Handmessung und benötigt keine Fachkräfte.

Mit Software Ressourcen sparen und die Qualität verbessern.

Wer zahlreiche Schweißbaugruppen fertigt, kann durch eine solche Software Zeit und damit
Produktionskosten sparen und die Qualität seiner Produkte entscheidend verbessern. Auch andere Abteilungen wie FEM profitieren von einem digitalen Tool. Der Verzug kann durch einen optimalen Prozess minimiert werden, Abteilungen wie das Richten werden obsolet, wenn die Schweißnähte keine Nacharbeit mehr erfordern und auch die Spritzerbildung und damit Reinigungsarbeiten können verringert werden.

So setzt ein Hersteller von Gabelstapleranbaugeräten in Salzgitter neueste Technologien und Software für die Herstellung dynamisch beanspruchte Schweißbaugruppen ein. Damit können die negativen Wirkungen der Fertigung auf die Bauteileigenschaften – Werkstoffzustand, Formgenauigkeit und Abmessungstoleranzen, Festigkeit und Steifigkeit – in den verschiedenen Phasen der Herstellung begrenzt werden. Unter strikter Einhaltung einer festgelegten Schweißfolge werden die geforderten Toleranzen ohne Nachrichten eingehalten und die Eigenspannungen in den Bauteilen geringgehalten.

Software ermöglicht die unkomplizierte Zusammenarbeit von Experten

Wichtig ist, dass ein Tool für das Schweißen auch Möglichkeiten einer übergreifenden Zusammenarbeit bietet. Denn die Ingenieure und technischen Zeichner der Konstruktion sind in der Regel keine Schweißexperten und manchmal ist es erforderlich, für die Bestimmung der Lage und der Reihenfolge der Schweißnähte im Entwicklungsprozess mit Experten zusammenzuarbeiten - gerade, wenn viel geschweißt wird oder Schweißbaugruppen sicherheitsrelevant sind. Eine Software kann als interaktive Plattform eine Umgebung bereitstellen, die Konstrukteure und Schweißfachingenieure zusammenbringt: Das cloudbasierte PLM-System Fusion 360 Manage von Autodesk erlaubt zum Beispiel mit dem Design Review die Zusammenarbeit anhand von 3D-Modellen. Der gesamte Schweißprozess kann digital abgebildet und sämtliche Dokumentationen allen Beteiligten zur Verfügung gestellt werden. Unternehmen, die ihre internen Prozesse noch nicht mit einem solchen PLM-System digital abbilden wollen, bietet Autodesk mit dem PDM-System Vault Professional und dem Fokus auf das Dokumentenmanagement die Möglichkeit für externe Zusammenarbeit sowie das Teilen von Zeichnungen und Modellen.

Schweißfolgeplan mit Software abbilden?

Eine große Erleichterung wäre es, auch den Schweißfolgeplan mit einer Software abbilden zu können. Digital wäre die Darstellung der Schweißfolge leicht abbildbar und nachvollziehbar. Über ein Tool könnte dann jede Schweißnaht per Klick sämtliche Informationen in Form einer hinterlegten Schweißanweisung für den Schweißer enthalten. Die Vorteile eines solche digitalen Schweißfolgeplan wären greifbar: Die Zeit zur Erstellung der Pläne kann reduziert werden, es ist keine aufwändige Einarbeitung des Schweißers erforderlich und auch sprachliche Barrieren können durch Visualisierungen und Animationen überwunden werden. Vordefinierte Ziele können reproduzierbar erreicht werden und gleichzeitig sinkt die Fehlerquote. Das Tool Inventor bietet bereits die Möglichkeit, Zusammenbaureihenfolgen zu simulieren und als Videodatei auszugeben – ein Ziel ist es jetzt diese Funktionalität auch für Schweißnähte zu entwickeln. Das CAD-Systemhaus Contelos ist , ist in Zusammenarbeit mit dem Schweißexperten Frank Koppe dabei, diese Lücke in der Funktionalität durch eine Zusatzprogrammierung zu schließen.

Fazit

Eine CAD-gestützte Modellierung von Schweißnähten hat für Unternehmen zahlreiche Vorteile: Die Vorgaben können bei Bedarf in digitaler Zusammenarbeit mit Experten entwickelt, präzise dargestellt und an die Ausführenden übermittelt werden. Eine abschließende Messung erlaubt den Vergleich mit den Soll-Vorgaben des CAD. Der verbesserte Prozess erhöht insgesamt die Qualität der Schweißnähte und verringert damit Nacharbeiten wie das Richten. Wird der Schweißfolgeplan digital integriert, ist der gesamte Prozess lückenlos abbildbar.

Autoren des Beitrages: 

Mathias Voigt, Bereichsleiter Produktdesign und Fertigung bei Contelos GmbH
Dipl.-Ing. (FH) Frank Koppe IWE


Weitere Informationen:

www.contelos.de
www.koppe-ing.de


Über Contelos:
CAD-Lösungspartner mit knapp 30 Jahren Erfahrung in CAD/CAM, PLM/PDM & BIM, unterstützt Unternehmen jeder Größe und Branche durch Softwarelösungen namhafter Hersteller, individuellen Softwareentwicklungen, IT-Services und zertifizierten (Online-)CAD-Schulungen. Das CAD-Systemhaus mit Sitz in Gehrden bei Hannover hat sich seit der Gründung 1992 als Autodesk Gold Partner auf die Bereiche Architecture, Engineering & Construction: Hochbau/BIM, GIS & Tiefbau, Anlagenbau, Visualisierung und auf Design & Manufacturing: Maschinenbau und Simulation/Datenmanagement spezialisiert. Das 40-köpfige CAD-Team ist führend in Consulting, Softwareentwicklung und Netzwerktechnik. Ein weiterer Teil des Portfolios sind die von Autodesk zertifizierten Trainings in den Autodesk-Trainings-Centern, die Contelos in Hannover und Bremen betreibt. Rund um die Autodesk Industry Collections mit Revit, BIM360, Civil 3D, Inventor und Fusion360 bleiben keine Fragen unbeantwortet.


Über Frank Koppe:
Seit über 25 Jahren beschäftigt sich Frank Koppe mit der Optimierung von Prozessen rund um die Schweißtechnik. Er unterstützt Firmen bei der Umsetzung von schweißgerechter Konstruktion bis zu einer qualitätsorientierten Fertigung.

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